Kultusministerin besucht Stahlwerke und Korker Diakonie

30.08.2019, 08:24 Uhr | Mittelbadische Presse/Kehler Zeitung/Antje Ritzert
Andreas Volkert, Geschäftsführer der BSW Anlagenbau und Ausbildung GmbH (l.) erklärt dem Landtagsabgeordneten Willi Stächele (2.v.l.) und Kultusministerin Susanne Eisenmann die Arbeitsprozesse im Stahlwerk. ©Antje Ritzert
Andreas Volkert, Geschäftsführer der BSW Anlagenbau und Ausbildung GmbH (l.) erklärt dem Landtagsabgeordneten Willi Stächele (2.v.l.) und Kultusministerin Susanne Eisenmann die Arbeitsprozesse im Stahlwerk. ©Antje Ritzert


Spritztour durchs Ländle: Auf Initiative des Ortenauer Landtagsabgeordneten Willi Stächele besuchte Susanne Eisenmann, Kultusministerin und Spitzenkandidatin der CDU für das Amt der Ministerpräsidentin bei der Landtagswahl 2021, die Badischen Stahlwerke Kehl (BSW) und die Diakonie Kork.

Sie sind die größten Arbeitgeber in Kehl und stehen – jeder auf seinem Gebiet – exemplarisch für Innovationskraft in der Region, Nachhaltigkeit, Integration und kluges Personalmanagement: Die Wahl von Willi Stächele (MdL, CDU), der der baden-württembergischen Ministerin für Kultus, Jugend und Sport »seine« Ortenau zeigen wollte, fiel nicht umsonst auf die Badischen Stahlwerke (BSW) und die Korker Diakonie.

Nachwuchsmangel

Bei ihrer Stippvisite nahm sich Susanne Eisenmann viel Zeit, sich den Sorgen und Nöten der beiden Einrichtungen zu stellen. »Unser großes Thema ist der Nachwuchsmangel«, sagte beispielsweise Andreas Volkert, Geschäftsführer der BSW Anlagenbau und Ausbildung GmbH (BAG). Seit 30 Jahren bildet die BSW-Tochter die Fachkräfte selber aus, die später im Stahlwerk arbeiten – im Schnitt etwa 50 bis 100 pro Jahr. »Heute haben weit über 95 Prozent unserer Mitarbeiter eine Ausbildung bei uns gemacht«, sagte Volkert.

Allerdings sei nicht nur die gesunkene Anzahl der Ausbildungsbewerber das Problem, so Volkert. »Man merkt auch, dass immer mehr junge Leute in höherwertige Ausbildungen streben, sprich: Sie wollen Gymnasium machen und sie wollen studieren.« Das sei verständlich, führe aber auch dazu, dass mittelmäßige bis gute Schüler nicht mehr für den dualen Ausbildungsmarkt zur Verfügung stünden und dadurch die Qualität im Ausbildungsbereich nachlasse. Die BSW müsse heute die Leute, die sie ausbilde, viel mehr fördern und stärken. »Wir sind schlicht und ergreifend in der Situation, dass wir nicht mehr auswählen können, welchen Auszubildenden wir nehmen«, brachte es Volkert dramatisch auf den Punkt, »sondern wir müssen denjenigen nehmen, den wir bekommen können.«

Eltern in der Pflicht

Aus seiner Sicht liefe der ganze Zug in die falsche Richtung, so Volkert. »Wenn wir eine Ausschreibung für eine Fachkraft machen, zum Beispiel Elektriker oder Industriemechaniker, dann sind wir heute bei einer Größenordnung von eins bis vier«, verdeutlichte er. Wenn man aber einen Ingenieur suche, sei man mittlerweile bei 20 bis 40 Bewerbungen. »Aus unserer Sicht passen diese Dimensionen nicht mehr zusammen«, sagte Volkert.

Susanne Eisenmann sieht hier vor allem Eltern und Schulen in der Pflicht. Sie würden zum Teil ein ganz falsches Bild vermitteln. »In den Köpfen von vielen Eltern gilt: Hauptsache Studium«, sagte sie. Dabei gebe es gerade im naturwissenschaftlichen Bereich Studiengänge, wo im vierten Semester 60 Prozent das Studium abbrechen würden. 

»Von diesen 60 Prozent machen dann über 50 Prozent eine duale Ausbildung.« Diese hätten sie auch gleich machen können. »Aber es geht nach dem Motto: Erst mal probieren.« Das Bild, das in den Köpfen drin ist, sei ein großes Problem, so Eisenmann. »Wir setzen ganz immens darauf, das wieder ein Stück weit zurückzudrehen«, sagte sie.

Wünsche des OB

Auch Kehls OB Toni Vetrano richtete in diesem Zusammenhang seine Wünsche an die Ministerin: »Uns ist ganz wichtig, dass der Standort der Beruflichen Schulen hier nicht aufgeweicht wird«, sagte er. Susanne Eisenmann versicherte ihm, dass die duale Ausbildung in der regionalen Schulentwicklung »ein ganz zentrales Thema« sei, gerade auch im ländlichen Bereich. »Wir sind bereit, kleinere Klassen zuzulassen, wenn eine Perspektive da ist. Das kann ich Ihnen fest zusagen, und das haben wir auch schon mehrfach praktiziert«, so die Ministerin. Zweistellig sollte die Klassengröße aber schon sein, konkretisierte sie. »Auch neun geht mal«, schob sie hinterher, aber das müsse man sich dann im Einzelfall genau anschauen.

Ganz andere Sorgen hat die Diakonie Kork, die den Besuch von Susanne Eisenmann ebenfalls genutzt hat, um auf ein dringendes Anliegen hinzuweisen. Vor drei Jahren hat die Diakonie die inklusive Gemeinschaftsschule im Oberlin-Schulverbund aus der Taufe gehoben. In kleinen Lerngruppen werden maximal 20 Kinder unterrichtet, davon immer 15 Kinder ohne Behinderung und fünf mit teils sehr komplexen körperlichen Beeinträchtigungen.

Geld fehlt 

Das pädagogische Konzept der privaten Einrichtung begeistert dermaßen viele Eltern, dass die Anmeldezahlen massiv nach oben geschnellt sind. »Wir haben mit neun Schülern damals begonnen. Inzwischen sind in der Starterklasse 13. Und dieses Jahr haben wir 34 Anmeldungen«, zählte Schulleiterin Bettina Maria Herr auf. Fürs kommende Schuljahr sei deshalb eine räumliche Notlösung gefunden worden, langfristig solle aber ein Erweiterungsbau der Situation Rechnung tragen. Herr verwies auf einen großen Plan, der die gewünschten Anbauten zeigt. »Im Moment fehlt uns aber noch das Geld dazu«, bedauerte sie. Zwar habe sie jetzt grünes Licht bekommen, um einen Teil realisieren zu können. »Das reicht aber nur für zwei Jahrgänge«, wandte sie sich an die Ministerin. Für den Teilbereich stünden drei Millionen Euro zur Verfügung, das Gesamtprojekt sei mit 8,5 Millionen veranschlagt. »Wir hatten eigentlich auf eine höhere Förderquote gehofft«, so Herr, die ihre (nicht kostenpflichtige) Einrichtung als Ergänzung zum Schulsystem im Raum Kehl sieht. »Ich werde mir die Sache mit der Förderung auf jeden Fall angucken«, versprach Eisenmann zum Abschied in Kork.