Willi Stächele MdL
Besuchen Sie uns auf http://www.willi-staechele.de

DRUCK STARTEN


Neuigkeiten
05.09.2018, 15:16 Uhr
Interview: Die AfD profitiert vom Zwist in der Union
Willi Stächele über Debattenkultur
Der CDU-Politiker Willi Stächele kritisiert im Interview mit der Mittelbadischen Presse den Umgang in der eigenen Partei. Er macht den Zwist in der Union für das Erstarken der AfD verantwortlich und will mit den Bürgern ins Gespräch kommmen – auch wenn das immer schwieriger wird.
»Die Bevölkerung will im Grunde konsequentes Handeln.« Willi Stächele, aktueller Landtagsabgeordneter aus Achern. Der 66-Jährige war Bürgermeister von Oberkirch, Agrarminister, Staatsminister und Finanzminister von Baden-Württemberg. © Ulrich Marx

Im Interview mit Chritoph Rigling:

Rigling: Herr Stächele, können Sie mir sagen, warum in Deutschland Meinungen von Andersdenkenden kaum noch akzeptiert werden und der politische Diskurs in eine rüde Ecke rutscht?

Willi Stächele: Das macht mir großen Kummer, dass wir offensichtlich nicht mehr in der Lage sind, eine politische Diskussion ausgewogen zu führen. Das liegt möglicherweise daran, dass wir die Diskussion in anderer Gestalt haben, nicht mehr mit einem unmittelbaren Gegenüber. Da lobe ich mir immer den alten Stammtisch. Man kam mit seiner eigenen Meinung, aber man musste sich auseinandersetzen mit einem Gegenüber. Und selbst wenn man es nicht zugegeben hat, hat man vielleicht doch auf dem Heimweg über diese andere Meinung nachgedacht. Man wurde zu einem Austarieren, zu einem Abwägen geradezu gezwungen.

Rigling: Ist das für eine Demokratie stilbildend?

Stächele: Vielleicht ist das laute unreflektierte Hinausschreien der eigenen Meinung mit schuld an der jetzigen Situation. Das hat sicherlich eine staatstheoretische Tragweite, insbesondere in einer Demokratie, in der Abwägen und Hinhören Grundvoraussetzungen für eine Wahlentscheidung sind.

Rigling: Es werden ja nicht mal mehr Urteile vom Bundesverfassungsgericht anerkannt.

Stächele: Ja gut, die Unabhängigkeit der Justiz ist ein zwingendes Gebot eines jeden Rechtsstaats. Aber ich bin auch weit davon entfernt, kritische Anmerkungen zu verurteilen. Das sind Frauen und Männer, die nach bestem Wissen und Gewissen ihr Urteil fällen. Aber es ist nicht gleich im Grunde ein Bruch der Gewaltenteilung, wenn man sagt: So ganz schmeckt mir das Urteil nicht. Also ich sage es ganz offen: Ich kritisiere nicht die Entscheidung, aber so ganz hat es mir auch nicht gefallen, als einer, der mit hoher Strafanfälligkeit abgeschoben war, dann wieder zurückgeholt werden musste. Und ich denke, so haben viele empfunden. Aber wie gesagt, die Trennung der Gewalten ist für mich heilig.

Rigling: Diese neue Debattenkultur geht ja schon im Kleinen los. Stichwort Krankenhausdebatte in der Ortenau. Da sind sich die Oberbürgermeister von Achern und von Oberkirch verbal richtig an die Gurgel gegangen. Muss so was sein – auch noch unter Parteifreunden?

Stächele: Ich habe diese Diskussion über die Krankenhausversorgung der Zukunft, die ja in der Zuständigkeit der Kreispolitik steht, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen: Erstens können sich Oberbürgermeister untereinander zoffen wie richtige Landes- und Bundespolitiker. Und zweitens ist die oft beschworene Solidarität im ländlichen Raum schnell auf den Prüfstand gekommen. Letztlich ging es um die Frage, wer betroffen ist und wer nicht. Jetzt muss mit dieser Entscheidung gelebt werden.

Rigling: Und das heißt?

Stächele: Die Fördermöglichkeiten auf Landesebene müssen konkretisiert werden. Sozialminister Lucha hat etwas zugesichert. Das hätte ich nun vom Landrat gerne etwas näher erläutert bekommen. Und wie wird mit den Standorten Kehl und Oberkirch nach der Schließung der Krankenhäuser umgegangen? Das sind jetzt Fragen, die schnell eine Antwort benötigen.

Rigling: Ist der Kreistagsbeschluss aus Ihrer Sicht vernünftig?

Stächele: Die Kategorie Vernunft in der Politik ist immer schwierig. Da gibt es im Grunde Gutachten, und irgendwann musst du dich entscheiden. Und oft gibt es ja Politikverdruss, weil Menschen sich mit einer Entscheidung nicht abfinden wollen, weil sie halt anderer Meinung sind. Und genau das ist das demokratische Grundgebot: Ich muss eine demokratische Entscheidung nach gründlichem, intensivem Ringen der Beteiligten auch akzeptieren.

Rigling: Und wie lässt sich das auf die Krankenhausdebatte übetragen?

Stächele: Ich hatte zu wenig Einblick in die Gutachten. Aber ich vertraue da ganz auf die Damen und Herren des Kreistages. Und ich weiß sehr wohl, dass man nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus Sachzwängen heraus diesen Prozess herbeigeführt hat. Wo kriegen wir künftig Personal her? Welche Standorte sind optimal? Und natürlich die Frage der Finanzierbarkeit. Das sind alles Fragen, an denen man sich nicht vorbeimogeln kann. Die Kreisräte haben sich dieser Herausforderung gestellt, deswegen haben sie meinen Respekt.

Rigling: Ein anderes Beispiel für merkwürdige Streitkultur ist der Zwist in der Union noch kurz vor der Sommerpause um die Flüchtlingspolitik. Hat man da PR für die AfD gemacht?

Stächele: Ja, ganz eindeutig. Und zwar vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg auch schon. Ehrlich gesagt, mich hat es angewidert, wie zwischen den Führungskräften der Union gestritten wurde. So geht man nicht um mit Verantwortung und mit Themen, die den Menschen unter die Haut gehen. Wer sich gegenseitig bezichtigt, nicht die Sicherheit in Deutschland zu garantieren, der darf sich nicht wundern, dass im Grunde dann eine AfD absahnen kann. Die Diskussion ist dann wieder im Sommer neu aufgeflammt, auch das muss vermeidbar sein. CSU-Chef Horst Seehofer darf nicht den Solostürmer spielen. Irgendwann muss die Frage gestellt werden, ob im Grunde Eigendarstellung über dem Gesamtbild einer Partei stehen darf.

Rigling: Kann man die AfD rechts überholen, wie es die CSU gerade versucht?

Stächele: Wissen Sie, rechts und links sind für mich auch keine Kategorien mehr. Ich muss der Bevölkerung aufzeigen, a.) warum Flüchtlingsströme da sind, b.) wie wir damit umgehen müssen als offenes Welthandelsland mit klarer Positionierung in Fragen der Werteordnung. Ich muss zeigen, dass unser Gesicht in der Welt ein humanes und rechtsstaatliches bleiben kann. Andererseits erwartet die Bevölkerung natürlich, dass wir dafür Sorge tragen, dass die, die nicht hilfsbedürftig sind, die, die straffällig werden, schnellstmöglich das Land wieder verlassen müssen.

Rigling: Jetzt sind wir mitten in der Flüchtlingsdebatte. Was halten Sie vom diskutierten Spurwechsel?

Stächele: Wenn jemand Deutsch lernt und eine Ausbildung macht, soll er sofort auf drei Jahre hierbleiben können. Voraussetzungen sind, dass er sozialversicherungspflichtig beschäftigt und nicht straffällig geworden ist. Straffälligkeit könnte mit dem sofortigen Abschiebevollzug einhergehen. Ich bin auch für die sogenannten Anker-Zentren. Schon an der Grenze muss entschieden werden, ob jemand überhaupt eine Chance hat, das vieljährige Asylverfahren in Anspruch zu nehmen, oder ob offensichtlich kein Asylgrund vorliegt. Die Bevölkerung will im Grund konsequentes Handeln. Und dann versteht sie auch, dass uns ein humanes Gesicht in der Flüchtlingsfrage gut steht.

Rigling: Wie wollen Sie das den Leuten jetzt näherbringen, damit sie keine AfD mehr wählen?

Stächele: Ich sehe schon die Schwierigkeit der Kommunikation. Ich mache wirklich lange Politik, und es ist unglaublich schwierig geworden, den Gedankenaustausch mit dem Bürger zu führen, ihn überhaupt zu erreichen.

Rigling: War das früher anders?

Stächele: Schauen Sie, wenn wir uns früher im Nebenzimmer einer Gaststätte angekündigt haben, dann sind da auch Bürger ohne Parteizugehörigkeit gekommen. Die wollten einfach mit dem Abgeordneten sprechen. Auf so etwas warten Sie heute oft vergebens.

Rigling: Wie kann man darauf reagieren?

Stächele: Ich habe jetzt Folgendes vor: Ich sehe die unsäglichen Umtriebe eines AfD-Abgeordneten hier in der Ortenau. In den Gemeinden, die stark AfD gewählt haben, möchte ich mit den Bürgern ins Gespräch kommen, um Meinungsaustausch und Nachdenklichkeit bitten. Sicherlich haben viele 2016 Protest gewählt. Aber die Wähler haben sich  einen Abgeordneten besonderer Art und Inhalte eingehandelt, die sicher nicht jeder so wollte.

Rigling: Jetzt nennen wir ihn einfach beim Namen: Wie nehmen Sie den Abgeordneten Stefan Räpple wahr?

Stächele: Ich bin immer froh, wenn er nie in Stuttgart sagt, wo er herkommt, denn das wäre mir im höchsten Maße peinlich. Was da verbal im Landtag von ihm ausgespuckt wird, das ist schon oft an der Grenze der politischen Schweinerei. Ich sage das auch offen. Ich habe zu denen in meiner Fraktion gehört, die gesagt haben, die sind alle demokratisch gewählt, wir haben die Hand zu geben und anständig mit ihnen umzugehen. Aber es fällt mir zusehends schwerer.

Rigling: Die Uneinigkeit in der Union hat sich auch schon auf die Landtagsfraktion der CDU in Stuttgart übertragen. Stichwort: Wahlrechtsreform. CDU-Landeschef Thomas Strobl wollte sie unbedingt, und die Fraktion hat ihn letztlich ausgebremst. Wer ist in der CDU der Boss?

Stächele: Das Ringen um die Spitzenposition ist immer dann da, wenn man nicht den Posten des Ministerpräsidenten besetzt. Sie werden das spüren, wenn Ministerpräsident Kretschmann von den Grünen älter wird und dann irgendwann hinter ihm die Nachfolgediskussion ausbricht. Die CDU ist aus ihrer Führungsrolle hinausgedrängt worden. Thomas Strobl hat die Führung in der Partei übernommen und vielleicht nicht immer die Befindlichkeit der Fraktion richtig eingeschätzt. Er hätte sich vielleicht da und dort gut beraten lassen können. Ich empfehle, Ende 2019 die Spitzenkandidatur für die Wahl 2021 zu klären. Wir haben gute Leute. Nicht jeder, der sich berufen fühlt, kann allerdings auserwählt werden.

Rigling: Und Sie, treten Sie 2021 erneut als Wahlkreiskandidat an?

Stächele: Solange ich gesund bin und das Vertrauen der Menschen habe, werde ich Politik machen. Mir macht es im Moment sehr viel Spaß. Man muss eine Antenne dafür haben, wann Vertrauen schwindet. Ich habe den Eindruck, dass meine Erfahrung und mein Wissen sowie meine Unabhängigkeit gerne angenommen werden. Keiner soll glauben, Willi Stächele ist müde (lacht).